I will review Margaret Atwood’s “Penelope und die zwölf Mägde” (Original Title: The Penelopiad) in German because a publisher kindly provided me with a German review copy of the book. However, you can find an English book review on the second page of this post.
Wenn man meiner sehr subjektiven Instagram-Filterblase trauen kann, dann haben sich die Neuerzählungen griechischer Mythen in den letzten Jahren einer großen Beliebtheit in der Online-Buchcommunity erfreut. Insofern ist es vielleicht kein Zufall, dass „Penelope und die zwölf Mägde“ von Margaret Atwood in diesem Jahr in einer deutschen Neuübersetzung erschienen ist.
„Penelope und die zwölf Mägde“ ist eine Neuerzählung der Geschichte von Penelope, Odysseus Frau, und ihrer zwölf Mägde, die bei Atwood wie auch im Original ein blutiges Ende nimmt. In dem Roman wirft Penelope einen Blick zurück auf die Geschehnisse rund um den trojanischen Krieg und die Odyssee. Unterbrochen wird sie dabei immer wieder von ihren zwölf Mägden, die wie ein antiker Chor die Ereignisse kommentieren und dabei ihre ganz eigene Perspektive zur Geschichte beitragen.
Penelope, die sich als antike Verkörperung einer vorbildlichen Ehefrau präsentiert, erzählt von der Konkurrenz mit ihrer schönen Cousine Helena, ihrem Rumtreiber-Ehemann Odysseus und davon, wie sie jahrzehntelang treu auf seine Rückkehr nach Ithaka gewartet hat, während Freier seinen Platz einnehmen wollten. Atwoods Neuerzählung der Geschichte von Penelope und ihren zwölf Mägden macht die Misogynie und den Klassismus deutlich, die das Schicksal ihrer Figuren so fundamental und drastisch prägen. Sie nimmt jedoch nicht nur die Doppelmoral und Herrschaftsverhältnisse ins Visier, sondern schafft es auch mit einem Augenzwinkern der mythischen Erzählung neues Leben einzuhauchen.

Die Protagonistin Penelope ist dabei eine herrlich unzuverlässige Erzählerin, deren Selbstdarstellung und Narrative man als Leser*in mehr und mehr zu hinterfragen beginnt, während die Handlung voranschreitet. Dabei spricht „Penelope und die zwölf Mägde“ durchaus die grausamen Auswirkungen an, die die klassistischen und misogynen Strukturen auf das Leben der Mägde haben, in denen Vergewaltigungen und Zwangsprostitution zum Alltag gehören und wo man für seine Dienstherr*innen im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hinhalten muss.
Die Stimme, die Atwood Penelope und ihren zwölf Mägden verleiht, schafft es trotz der teils grausamen Handlung immer wieder die Geschichte mit humorvollen Spitzen aufzuheitern. Die Übersetzer*innen Marcus Ingendaay und Sabine Hübner haben es auf wundervolle Art und Weise geschafft, diesen Humor ins Deutsche zu übersetzen, sodass ich während der Lektüre mehr als einmal laut lachen musste. So beschreibt Penelope Fernseher als „Hausschreine“ der Moderne oder bezeichnet ihre Cousine Helena voller Eifersucht als „Skandalnudel“.
Mit der Neuübersetzung haben die beiden auch den Titel der neuen Übersetzung angepasst von „Die Penelopiade. Der Mythos von Penelope und Odysseus“ zu „Penelope und die zwölf Mägde“. Ich finde diese Änderung gelungen, denn sie macht noch mal deutlich, dass sich diese Geschichte um Penelope und ihre zwölf Mägde dreht – und nicht um Odysseus. Im Zentrum des Buchs stehen nicht Odysseus Abenteuer sondern die Erfahrungen der weiblichen Figuren, die sonst eine untergeordnete Perspektive in seiner Heldenerzählung einnehmen.
Und dieser Perspektivwechsel ist ein Kernaspekt von „Penelope und die zwölf Mägde“, denn er macht Raum für Themen wie sexualisierte Gewalt, Zwangsprostitution, Klassismus und eine Kritik an der Willkür, mit der die Mächtigen diejenigen behandeln, die von ihnen abhängig sind. Atwood scheut nicht davor zurück, den griechischen Mythen ihren Spiegel vorzuhalten und die Dinge beim Namen zu nennen.
Mir hat die Lektüre des Buchs sehr viel Freude gemacht. Atwood schafft es in „Penelope und die zwölf Mägde“ Humor, literarische Kunstgriffe und Gesellschaftskritik zu vereinen, was die Geschichte zu einem großen Lesevergnügen macht – nicht nur für Fans griechischer Mythologie sondern auch für andere Literaturbegeisterte, die Spaß an komplexen Erzählsituationen oder kritischen Neuerzählungen haben.
Vielen Dank an den Wunderraum Verlag für das Leseexemplar! Hier könnt ihr mehr über das Buch erfahren. Was haltet ihr von den Neuerzählungen antiker Mythen? Und wäre das Buch etwas für euch?
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